Freitag, 5. Dezember 2014

Das Ding mit der Weihnachtsfreude / 2

Als Kind und Jugendliche hatte ich das Gefühl von Fließen oft. Ein innerer Zustand, in dem man sich "selbstvergessen in einer Tätigkeit verliert". Indem ich diesen Satz niederschreibe, entdecke ich das Paradoxon, wie man etwa darüber denkt, wenn jemand ganz mit sich selbst verbunden etwas aus sich heraus ausdrückt. In die reale Welt übersetzt, was bis dahin nur im Inneren als Potential existierte. Selbstvergessen meinte da eigentlich in "Einklang mit sich selbst". "Sich verlieren" folgerichtig "ganz bei sich selbst" sein. Im psychologischen Fachjargon spricht man von "Flow".



In unserer westlichen Welt fehlt es dramatisch an Flowerfahrungen. Wir begeben uns in beruflich und privat allzu gerne auf vorgegebene Pfade. Bequem und lösungsorientiert funktionieren wir, unterscheiden uns in der Wahl zwischen angesagten Trends. Kugeln oder Strohsterne als Weihnachtsdeko, oder hüpfende Hirsche auf dem Fensterbrett? Alles schön und wunderbar, aber ist es das, was uns erfüllt, was unser Herz singen lässt, uns Freudentränen in die Augen treibt?
Verklärende Geschichten aus den Hungerjahren, wo man Tannenbäume aus dem Wald holte und ein paar Socken geschenkt wurden und alle angeblich so glücklich waren bringen uns auch nicht weiter. Wir leben dazu auch in einer Zeit, wo das vergleichen und sich auf Trends einstimmen immer schwerer funktioniert, die Halbwertszeiten davon, was man tun muss um dazuzugehören, takten exponentiell.



Es geht gar nicht mehr um Entschleunigung, damit ist es nicht getan. Es geht auch nicht darum, sich technologischen Entwicklungen zu verweigern oder an einem bestimmten Punkt des gesellschaftlichen Lebens die Stoptaste zu drücken. Es geht vielmehr darum, den Anteil an Fremdbestimmtheit zu erkennen und loszulassen, soviel gerade möglich ist. Menschen, die mehr als fünfzigprozentig in einem "Ich muss - Modus" unterwegs sind, laufen an sich selbst vorbei, innen drin nagt ein ständiges Gefühl der Leere. Damit man dieses nagen nicht so spürt lenkt man sich ab, Möglichkeiten dazu gibt es ohne Ende. Sich da rauszunehmen ist nicht einfach, aber sehr sehr lohnenswert. 




Schritt für Schritt zurück dorthin, wo die Freude wohnt. Was macht mich glücklich, mit welcher Tätigkeit spüre ich tiefe Befriedigung und sinnerfülltes Tun? Ganz für mich allein? Ganz aus mir selbst heraus? Das sind Fragen, die es sich lohnt zu stellen.



Mich brachte einer meiner Söhne mit diesem Gefühl des Fließens wieder in Berührung, nachdem ich es im jungen Erwachsenenalter fast verloren hatte. Er konnte sich als Kind hingebungsvoll mit etwas beschäftigen und dabei alles rundherum ausblenden. Ich selbst kam nur langsam wieder in Berührung mit dieser Qualität des Seins und damit mit einem tiefen Aspekt der Freude.

Das ist es was ich uns wünsche. Für die Weihnachtszeit und weit darüber hinaus.
Wieviel besser wäre unsere Welt, wenn mehr Menschen kreativ ausdrückten, was ihnen aus ihrem Innersten heraus Freude macht.



11 Kommentare:

  1. Dein Text ist wie immer sehr zum Nachdenken anregend und schön geschrieben. Flows habe ich zum Glück doch hin und wieder, ist ein tolles Gefühl. Wenn ich konzentriert lese, versinke ich immer, das klappt ganz von selbst.

    Warum ich aber eigentlich schreibe: Das letzte Bild, das mit dem Auto, ist wunderschön! Ganz großartig.

    LG, Katrin

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  2. Ein wunderbarer Beitrag - und ganz in meinem Sinne. Ich mag es nicht, mit den Trends zu gehen, aber manchmal hat man gar keine andere Wahl, weil es nichts anderes gibt. Bei mir ist es auch wie bei Katrin, beim Lesen versinke ich. Und beim Gärtnern zum Beispiel. Oder am Meer ...

    Sigrun

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  3. Ein sehr schöner Post mit viel Tiefe. Schade, dass die meisten Menschen nur das nicht erfahren. Aber wichtig sind wir selber und das Erkennen des Wichtigen im Leben. Ist leider nicht vielen gegeben. Das Hetzen geht weiter, gerade jetzt... fragt sich nur wie lange noch. Und dann ? Wichtig wäre auch , sich in die Natur zu begeben, aber in tiefe Natur und lange, am besten jeden Tag. Vielleicht würde es einige Menschen auf die richtige Spur bringen. Aber nur vielleicht... und wenn es nur eine Handvoll ist.
    Ich wünsche dir eine schöne Flow-Zeit mit viel Freude.
    Herzliche Grüße
    Rita

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  4. Am 04. Dezember habe ich im Radiokulturhaus David Steindl-Rast erlebt und dein Post klingt, als wärst du dabei gewesen und hättest manche Passagen weiter formuliert. Eine Aussage von ihm: Die Freiheit ist gegeben als Erlebnis in der Wirklichkeit. Wenn das Selbst durchfließt, einfließt in meine Handlungen, wenn ich etwas wie von selbst tue, das ist ein Augenblick in dem ich Freiheit wirklich erlebe. Das ist befreiend.
    Ich wünsche dir viele befreiende Augenblicke, lG Gerda

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  5. Danke für diese Worte und ich weiß was du meinst und fühlst dabei weil ich es gerade so mache wieder... ich brauchs kaum mehr ausprobieren wie es ist ich habe es gefunden wieder und es macht mich so zufrieden und Glücklich wenn ich es fliessen und so gross werden lassen kann oder plötzlich ist es da und ich bin mitten drin merke es wenn ich draussen...
    und ich habe beschlossen nicht den Konsum aus strecken ich ahbe nichts gekauft weil ich von vielen Jahren eien Kiste habe aus meinen Kindernzeiten warum noch mehr haben und ich werde keinen Tannenbaum haben ich will nicht mehr nach rennen nur weil der eine das hat oder Beleuchtung mir reichen Kerzen die so schön leuchten dun gemütliches mir bringen.
    Bewusst will ich es mir machen es kann anders sein dieses wunderbare Gefühl in mir...
    das zu tun was mir so erfüllen lässt! Ich hoffe dass noch viele andere Menschen das finden so zu leben...
    Viele Floweffekt wünsche ich dir
    Lieben Gruss Elke

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  6. Auch ich finde, das hast du sehr zutreffend beschrieben & analysiert. Nur gilt auch hier: Gefahr erkannt, heißt noch lange nicht gebannt. Es passiert mir immer wieder, mich einzufangen...
    Liebe Grüße ins geliebte Wien!
    Astrid

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  7. Danke für diese wundervollen Worte. Ich werde sie mir nocheinmal durchlesen und verinnerlichen.
    Ich wünsche Dir einen schönen 2.Advent
    herzliche Grüsse
    Elisabeth

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  8. Liebe Elisabeth, genau so ist es. Ich versuche auch heute noch alles fließen zu lassen. Von Weihnachtsstress bin ich weitgehend befreit bzw. habe ich mich selbst befreit.
    Tolle Bilder, diese verschwommenen Lichter. Hätte ich auch mal Lust zu probieren.
    Liebe Grüße
    Nina

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  9. Deinem so eindringlich und anschaulichen Wunsch für uns alle, schließe ich mich aus vollem Herzen an. In der Atemtherapie gibt es den schönen Begriff "aus der Funktion erlösen", um so wieder in den ureigenen Fluss zu kommen. Herzliche Grüße zum zweiten Advent Petra

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  10. Liebe Elisabeth,
    tolle Bilder, toller Text! Ich glaube, es liegt an den ganzen Ablenkungen, Email, SMS, WasAuchImmer. Man kann sich nicht mehr auf eins alleine konzentrieren. Dadurch verliert man viel Kreativität.
    VG
    Elke

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  11. Ja, leider wird es immer wieder schwieriger sich richtig einer Sache hinzugeben, mir geht es da nicht anders!

    LG kathrin

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